Der  "Goldene Freibrief"  König Andreas II. von 1224

Der "Goldene" Freibrief der Siebenbürger Sachsen wurde erstmals im Jahre 1224 vom ungarischen König Andreas II. ausgestellt. Der Freibrief ist auch unter der Bezeichnung "Andreanum" bekannt, was auf König Andreas als Verleiher zurückgeht.
Das Andreanum regelt die Beziehungen zwischen dem König als Grundherren und den zur Besiedlung des Landes "jenseits der Wälder" angeworbenen deutschen Gastsiedler. Die Letztgenannten werden in der Hermannstädter Grafschaft zu einer politischen Gemeinschaft vereinigt, der in corpore weitgehende Rechte eingeräumt werden. Neben mehreren Privilegien, die eigentlich nur dem Adel zugestanden hätten, werden auch einige Pflichten der Siedler genannt, die sie allerdings allein dem König gegenüber einzulösen hatten. Die Urkunde galt zunächst nur für die Hermannstädter Provinz, wurde später aber schrittweise auf sämtliche deutsche Siedlungen des Königsbodens (des Gebietes der späteren Sächsischen Nationsuniversität) ausgeweitet. Es ist dies die wichtigste Verfassungsurkunde der Siebenbürger Sachsen.
Das Original aus dem Jahre 1224 ist leider nicht erhalten, aber die Urkunde wurde 1317 in der Bestätigung durch König Karl I. (Robert) von Anjou eingeschaltet und ist bis 1627 von insgesamt 10 ungarischen Königen oder Fürsten Siebenbürgens bestätigt worden. König Matthias Corvinus bestätigte 1486 als erster die Geltung des Freibriefes für die gesamte Nationsuniversität (Universitas Saxonum).
Erst unter Kaiser Joseph II. verlieren mit der Auflösung der Nationsuniversität 1785 auch die meisten Freiheiten der Siebenbürger Sachsen ihre Jahrhunderte alte Geltung.


TEXT IN DEUTSCHER ÜBERSETZUNG:

Im Namen der heiligen Dreifaltigkeit und ungeteilten Einheit.

Andreas von Gottes Gnaden König von Ungarn, Dalmatien, Kroatien, Rama [Anm.: heutiges Bosnien], Serbien, Galizien und Lodomerien für alle Zeit. So wie es der königlichen Würde zusteht, der Hochmütigen Trotz mit Macht niederzuhalten, so ziemt es sich auch der königlichen Güte, der Demütigen Bedrückungen barmherzig zu erleichtern, der Getreuen Dienst abzuschätzen und jedem nach seinen je eigenen Verdiensten das Gebührende gnädig zukommen zu lassen. Da nun Unsere getreuen Gastsiedler, die Deutschen jenseits des Waldes, gemeinschaftlich an Unsere Majestät herangetreten sind, und Uns demütig ihre Klagen vorgetragen und durch ihre Klagen und Flehen darauf hingewiesen haben, dass sie ihre Freiheit, mit der sie von dem allergnädigsten König Geysa, Unserem Großvater, gerufen worden waren, gänzlich einbüßen würden, wenn nicht Unsere Königliche Majestät wie gewohnt, ihr Auge gnädig über ihnen offen halte, weswegen sie Königlicher Majestät, aus Armut und großem Mangel, keinen Dienst leisten konnten. Indem Wir deshalb ihren gerechten Klagen in gewohnter Weise ein gnädiges Ohr leihen, wollen Wir also, dass bei den jetzt Lebenden und ihren Nachkommen bekannt wird, dass Wir, den frommen Fußspuren Unserer Vorgänger folgend und bewogen durch die Güte des Herzens, ihnen die früheren Freiheiten zurückgegeben haben. Und zwar so, dass

· das gesamte Volk von Waras bis Boralt [Anm.: Broos bis Baraolt] samt dem Lande der Szekler im Gebiet von Sebus und dem Gebiet von Draas eine Gemeinschaft [unus populus] bilden und unter einem einzigen Richter stehen soll, unter gleichzeitiger Aufhebung aller Grafschaften [comitatus], außer jener von Hermannstadt.
· Wer auch immer aber Graf von Hermannstadt wird, soll in den genannten Grafschaften niemanden als Richter einsetzen, der nicht ständig unter ihnen wohnt; die Gemeinschaft [populi] möge jeweils den wählen, von dem angenommen werden kann, dass er dafür am tauglichsten sei.
· Es soll auch niemand in der Hermannstädter Grafschaft wagen, einen [Amts]Wechsel mit Geld zu kaufen.
· Sie sollen 500 Silbermark zum Besten Unserer Kammer zahlen. Wir wollen, dass kein Grundherr [eines steuerpflichtigen Hofes] oder sonst jemand, der in ihrem Gebiet ansässig ist, von dieser Abgabe ausgenommen wird, es sei denn, er besitzt darüber einen gesonderten Freibrief.
· Auch das bewilligen Wir ihnen, dass sie das Geld, das sie Uns verhalten oder durch Erkenntnis verpflichtet sind zu zahlen, in keinem anderen Gewicht zahlen als in Silbermark, die ihnen Unser Vater Béla frommen Angedenkens bestimmt hat, nämlich 4 1/2 Viertel Hermannstädter Gewichts, wie der Kölner Pfennig, damit sich beim Wiegen keine Verschiedenheit bezüglich des Gewichts ergibt.
· Sie sollen sich nicht weigern, den Boten, die Königliche Majestät zum Sammeln jenes Geldes einsetzen wird, für jeden Tag, den sie daselbst verweilen, drei Lot für ihre Ausgaben zu zahlen.
· Sie sollen 500 Bewaffnete [milites] stellen, um bei einer Heerfahrt des Königs im Reich Kriegsdienst zu leisten. Außerhalb des Reiches jedoch 100 Bewaffnete entsenden, wenn der König selbst auszieht. Wenn er aber einen Adligen [iobagiones] über die Reichsgrenze schickt, es sei um einen Freund zu unterstützen oder in eigener Angelegenheit, so müssen sie nur 50 Bewaffnete entsenden. Und es soll dem König nicht zustehn, über die genannte Zahl hinaus Bewaffnete anzufordern, noch sollen sie selbst ihm solche entsenden.
· Sie sollen ihre Pfarrer [sacerdotes] selbst frei wählen und die Gewählten vorstellen. Sie sollen ihnen den Zehnten zahlen, und in allen kirchlichen Rechtsangelegenheiten sollen sie ihnen nach altem Herkommen Rede und Antwort stehen.
· Wir wollen auch und befehlen ernstlich, dass niemand über sie richten soll außer Wir selbst oder der Graf von Hermannstadt, den Wir ihnen zu gegebener Zeit und Ort einsetzen werden.
· Mögen sie aber vor welchem Richter immer stehen, so sollen die Strafmaße stets nach dem Gewohnheitsrecht [der Gastsiedler] zu vollstrecken sein. Auch soll sie niemand vor Unser Gericht laden dürfen, es sei denn, der Rechtsstreit kann vor dem gewöhnlichen Richter nicht entschieden werden.
· Außer dem vorher Angeführten haben Wir ihnen auch den Wlachen- und Petschenegenwald [silva Blacorum et Bissenorum] samt seiner Gewässer zur gemeinsamen Nutzung mit den vorgenannten Wlachen und Petschenegen übertragen, ohne dass sie, im Genuß der genannten Freiheit, deswegen Abgaben leisten müssen.
· Darüber hinaus haben Wir ihnen gestattet, ein gemeinschaftliches Siegel zu führen, das bei Uns und Unseren Großen [magnates] glaubwürdig anerkannt werden soll.
· Wenn jemand aber einen von ihnen wegen einer Geldsache gerichtlich belangen will, soll er dem Richter nur solche Zeugen benennen können, die in ihrem Gebiet ansässig sind. Wir befreien sie gänzlich von jeder [fremden] Gerichtsbarkeit.
· Der alten Freiheit folgend, erlauben Wir ihnen allen jeweils acht Tage lang um das Fest des Hl. Georg [23. April], um das Fest des Hl. Königs Stephan [2. September] und um das Fest des Hl. Martin [11. November] Kleinsalz frei zu beziehen.
· Darüber hinaus gewähren Wir ihnen, dass keiner der Zolleinnehmer sie belästigen darf, weder bei der Hin- noch bei der Rückfahrt.
· Den Wald aber mit all seinem Zubehör und die Nutzung der Gewässer mit ihren Gefällen, insofern es dem König allein zu vergeben zusteht, überlassen Wir allen, sowohl den Armen als auch den Reichen, zur freien Verwendung.
· Wir wollen auch und befehlen kraft königlicher Vollmacht, dass keiner Unserer Adligen [iobagones] ein Dorf oder irgendein Landgut von königlicher Majestät zu fordern wage. Wenn es aber jemand fordert, dann sollen sie nach der ihnen von Uns erteilten Freiheit Widerspruch einlegen.
· Darüber hinaus setzen Wir für die genannten Getreuen fest, dass, wenn Wir auf einer Heerfahrt zu ihnen kommen sollten, sie nur drei Bewirtungen zu unserem Nutzen zu bezahlen haben.
· Wenn aber der Woiwode in Angelegenheiten des Königs zu ihnen oder durch ihr Gebiet geschickt wird, dann sollen sie sich nicht weigern, ihm zwei Bewirtungen zu leisten, eine bei der Einreise und eine bei der Ausreise.
· Auch fügen Wir den obengenannten Freiheiten der vorher Genannten hinzu, dass ihre Kaufleute überall in Unserem Königreich, wohin sie auch wollen, frei und ohne Entrichtung eines Zolles hin- und herreisen dürfen, wobei sie ihr Recht unter Hinweis auf die Königliche Hoheit wirksam geltend machen sollen.
· Wir befehlen auch, dass alle ihre Märkte im Lande frei von Zöllen abgehalten werden.
Damit aber all das, was oben gesagt ist, in Zukunft rechtswirksam und unwandelbar bleibt, ließen Wir diese Urkunde mit dem Abdruck Unseres doppelten Siegels bekräftigt.

Gegeben im 1224. Jahr nach der Menschwerdung des Herrn, im 21. Jahr Unseres Königtums.


Quellen & Literatur

· Stephan Ladislaus Endlicher,  Rerum Hungaricarum monumenta Arpadiana, Sangalli 1849, S. 420-
  423.

· Ernst Wagner,  Quellen zur Geschichte der Siebenbürger Sachsen 1191-1975 Band 1, in der Reihe:
  Schriften zur Landeskunde Siebenbürgens, Wien ²1981.

· Franz Zimmermann  und  Carl Werner,  Urkundenbuch zur Geschichte der Deutschen in Siebenbür-
  gen, Band 1, Hermannstadt 1892.  Online:  http://germa229.uni-trier.de:3000/catalog/43   (abgerufen
  am 25. März 2012).

· Harald Zimmermann,  Siebenbürgen und  seine  Hospites Theutonici.  Vorträge  und  Forschungen
  zur südostdeutschen Geschichte  (Schriften zur Landeskunde Siebenbürgens  29), Köln/Wien 1996,
  S. 48-68.