Vom Mittelalter bis ins 16. Jahrhundert

Will man tief zu den Wurzeln der 'Siebenbürgisch-sächsischen Kirche' vordringen, kommt man nicht umhin, bis auf die Zeit der Einwanderung der Siebenbürger Sachsen unter dem ungarischen König Geysa II. ab 1145 zurückzublicken. Die Gruppen der ersten Siedler, die bereits sehr früh als "Saxones" oder "Teutonici Ultrasilvani", also als Sachsen oder Deutsche jenseits der Wälder bezeichnet wurden, waren nicht unorganisiert und spontan aufgebrochen und losgezogen, sondern es entspricht, trotz weniger vorhandener Quellen, dem derzeitigen Stand der Forschung, dass die Einwanderer soziale und kirchliche Strukturen genossenschaftlicher Art aus ihrem Herkunftsgebiet nach Siebenbürgen mitbrachten.
Die Auswanderung geschah zu einer Zeit, als in West- und Mitteleuropa der Zentralismus der Kurie zu greifen begann, als sich die römische Kirche gerade aus dem Einfluss kaiserlicher Gewalt befreite, die Investitur durch Laien verbot, und anfing, sich noch straffer hierarchisch zu gliedern als bisher. Es war aber auch zu der Zeit, in der das römische Recht zur allgemeinen Anwendung kam, und so ist anzunehmen, dass die damaligen Auswanderer ein Modell der auf germanischem Rechtsboden gewachsenen genossenschaftlichen Gemeindekirchen nach Siebenbürgen mitnahmen und dort weiterentwickeln konnten. Das Modell blieb in der Gemeindeordnung, besonders deren nachbarschaftlicher Gliederung, erhalten, und das kirchliche Leben verlief zum Teil bis die jüngste Vergangenheit nach jener überlieferten Lebensordnung.
Diese andere und besondere Art von Rechts- und Kirchenstellung, die innerhalb der katholischen Kirche des Mittelalters eine Sonderregelung darstellte, war den Siedlern von so großer Bedeutung, dass sie sich immer wieder für ihren Erhalt einsetzten. Im Goldenen Freibrief von 1224, auch bekannt als Andreanum, sicherten sich die Siebenbürger Sachsen auf Königsboden weitgehende Rechte wie die freie Pfarrerwahl, Unabhängigkeit von in Siebenbürgen bereits bestehenden Kirchenstrukturen und Kirchengerichtsbarkeit, die Entlohnung der Geistlichen mit dem Zehnten, sowie das Recht über das eigene Kirchenvermögen zu verfügen. Glaube und Frömmigkeit der Siebenbürger unterschied sich indes nicht von der in der römisch-katholischen Kirche üblichen Praxis. Der Handel mit Ablässen war weit verbreitet, das Pilgerwesen (besonders nach Rom) war gut entwickelt, Heiligen- und Reliquienverehrung standen in hoher Blüte, Laienbruderschaften wurden gegründet und verschiedene Mönchsorden entwickelten in Siebenbürgen eine rege Tätigkeit. Unter den Orden sind besonders die Zisterzienser in Kerz, Dominikaner und Franziskaner, die in fast allen großen Städten Klöster hatten, hervorzuheben. Die Pflege der Armen und Kranken übernahmen oft die Hospitaliter. Es gab auch zahlreiche Frauenklöster in Siebenbürgen.
Die Klöster waren wichtige geistige Zentren und brachten west- und mitteleuropäische Einflüsse mit, besonders was den jeweiligen modernen Baustil für Kirchen und sonstige sakrale Bauten betraf.
Durch Schenkungen erwarben die Klöster im Mittelalter zahlreiche Reichtümer und einen recht offenen weltlichen Wandel, was in der Nachbarschaft oft Missgunst hervorrief, und während der Reformation u.a. dazu beitrug, das viele Klöster in Siebenbürgen aufgelöst wurden.
Aufgrund unterschiedlichen Rechtsstandes in Siebenbürgen, kam es in den Reihen der Geistlichkeit immer wieder zu Rivalitäten, wenn es um die Zehntabgaben und vor allem um die Zuständigkeit in Fragen der Jurisdiktion ging. Die Unterstellung der ersten Siedler unter die freie königliche Hermannstädter Propstei entzog sie zunächst der Jurisdiktion des nähergelegenen Weißenburger Bischofs. Die Propstei war dem Erzbischof von Gran untergeordnet und strebte mehrmals danach, zum Bistum für alle deutschen Siedler erhoben zu werden, was aber regelmäßig am Einspruch des Weißenburger Bischofs scheiterte. Auf dem gesamtdeutschen siebenbürgischen Siedlungsgebiet bildeten sich nach dem Vorbild der urheimatlichen Landdekanate sogenannte "Kapitel", von denen die bedeutendsten in Hermannstadt (in das die freie Ladislaus-Propstei aufging) und in Kronstadt angesiedelt waren. Das Burzenländer Dekanat war zwischen 1211 und 1225 dem deutschen Ritterorden und später, nach der Vertreibung des Ordens durch den ungarischen König, dem Bischof von Weißenburg oder auch dem Bischof von Milkow unterstellt, gelangte aber bis 1288 ebenfalls unter die Jurisdiktion der Diozöse von Gran.
Da die Pröpste meistens aus den Reihen der Getreuen des Königs ernannt wurden und auch andere hohe Ämter ausüben mussten, residierten sie gewöhnlich nicht in Siebenbürgen und ließen sich nur ihre Einkünfte zukommen. Die Dechanten über das Hermannstädter und Kronstädter Kapitel übten quasi-episkopale Rechte aus, was soviel bedeutet, dass sie berechtigt waren, an hohen Feiertagen die Abzeichen bischöflicher Würde - Mitra, Siegelring und Hirtenstab - zu tragen, Ablässe von bis zu 100 Tagen zu gewähren, das Beicht-, Buß- und Absolutionsrecht auszuüben, und Weihungen von Kirchen durchzuführen.
Diese quasi-episkopale Stellung wurde nach der Auflösung der Hermannstädter Propstei 1442 durch den König noch gefestigt. Auch die Selbständigkeit der Einzelgemeinden in vorreformatorischer Zeit ist durchaus nicht zu unterschätzen. Die freie Pfarrerwahl ist das wichtigste Merkmal, doch auch bei der Verwaltung des Kirchenvermögens zeigte sich alsbald die große Eigeninitiative der Gemeinden, wenn aus eigenen Reihen ein besonderer Vertrauensmann, der sogenannte "Kirchvater" darüber eingesetzt wurde.
Mit der Erwähnung des Hermannstädter und des Burzenländer Dechanten treten jene Kirchenverbände in Erscheinung, die für die spätere Entwicklung der siebenbürgisch-sächsischen Kirche entscheidend sein sollten. Zur Wahrung ihrer Rechte kam es zeitweise dazu, dass sich mehrere Kapitel zusammenschlossen, um ihren Forderungen Nachdruck zu verleihen. Auch in der Weißenburger Diozöse ist eine derartige Selbständigkeit zu beobachten, die sich bis zum Ende des 15. Jahrhunderts in allen deutschen Landkapiteln weiterentwickelte und sich auch gegenüber der höheren geistlichen Obrigkeit behaupten konnte.
1502 schlossen sich schließlich alle siebenbürgisch-sächsischen Kapitel zur "geistlichen Universität" zusammen, ganz unabhängig von ihrer Unterstellung unter Diozösen und Erzdiozösen. Dem Gremium stand am Ende des Mittelalters der Mediascher Dechant als Generaldechant vor.
Parallel dazu, und sogar noch etwas früher, gelang der politische Zusammenschluss der sächsischen Stühle und Distrikte 1486 in der "Nationsuniversität". Es ist hervorzuheben, dass es zwischen weltlicher und geistlicher Universität auf verschiedenen Gebieten zur Zusammenarbeit und zu gegenseitigen Abstimmungen gekommen ist, wodurch die nationale Einigung der Sachsen entscheidend vorangetrieben und vorbereitet werden konnte.
Gewisse politische Ereignisse und Konstellationen, wie z.B. die anhaltende Bedrohung durch die nach Siebenbürgen einfallenden östliche Wandervölker, oder Schwächen die sich aus Thronstreitigkeiten am ungarischen Königshof ergaben, und natürlich die große Bedrohung durch das Osmanische Reich im ausgehenden Mittelalter und zu Beginn der Neuzeit, brachten der siebenbürgisch-sächsischen Bevölkerung (unter gewissen Aspekten natürlich der Bevölkerung Siebenbürgens insgesamt) immer wieder herbe Rückschläge ein, sei es im Kampf um das eigene Leben, oder im Kampf um die Aufrechterhaltung der einst erworbenen Rechte und Privilegien.
Dennoch waren diese Ereignisse auch immer wieder Chancen die Selbständigkeit zu behaupten und zu festigen, und haben sicherlich auch im entscheidenden Zeitraum vor und während der Durchführung der Reformation der Kirche in Siebenbürgen eine wichtige, nicht zu unterschätzende Rolle gespielt.