Damasus Dürr

Damasus Dürr  wurde um 1535 in Brenndorf im Burzenland geboren. Über sein Elternhaus ist nicht viel bekannt; sein Vater war Georg Dürr, der 1565 in Petersdorf verstarb und dort vermutlich Lehrer oder Pfarrer war.
Damasus Dürr besuchte zunächst das Gymnasium in Kronstadt, wo der Rektor Petrus Weresius seinen Namen 1553 in das Schüleralbum eintrug. Bereits 1554 schreibt er seine erste Predigt, die er später in seine Predigtsammlung mit aufgenommen hat.
Zum weiteren Studium wurde Dürr dann nach Wittenberg geschickt, wo er bereits fünf Jahre nach seinem Eintritt ins Gymnasium zu Kronstadt an der Universität zu Wittenberg ordiniert wird. An der Hochschule zu Wittenberg war er Hörer u.a. in den Vorlesungen Philipp Melanchthons, wie er selber berichtet (Predigt vom 2. Advent). Neben Theologie studierte Dürr auch Naturwissenschaften, z.B. bei Vitus Winshemius, dem berühmten Professor seiner Zeit an der medizinischen Fakultät (Randbemerkung zur Predigt am Sonntag nach dem Hl. Dreikönig-Tag).
Wittenberg war zur Zeit Dürrs die einzige Ordinationsstelle für evangelische Prediger und Pfarrer und so kamen dorthin aus allen Ländern, in denen sich die neue Lehre durchzusetzen begann, Studierende und Absolventen, um sich ordinieren zu lassen. Die Ordination im Sinne einer Übertragung des 'ministerium verbi' wurde von Martin Luther 1535 unter anfänglichem Widerstreben Johannes Bugenhagens eingeführt, als immer deutlicher wurde, dass sich die neuen Gemeinden nicht mehr in die Rechtsformen der alten Kirche eingliedern ließen. Vorher gab es nur eine Einführung in den Dienst der Einzelgemeinde. Die Ordination gestaltete sich innerhalb eines gottesdienstlichen Aktes, mit Konfirmation und Approbation des Berufenen sowie der Übertragung des Rechtes, die Sakramente zu verwalten. Vor der Ordination gab es eine Prüfung der Kandidaten, wobei allerdings weniger ihr wissenschaftlich-theologisches Wissen als vielmehr die reine evangelische Lehre abgefragt wurde.
Zu diesen Kandidaten gehörte auch Damasus Dürr, und er wurde am 3. September 1559 von Bugenhagen, dem die Funktion der Ordination oblag, in den Dienst der Kirche berufen. Aus dem Wittenberger Ordiniertenbuch (hrsg. von G. Buchwald 1894, Band I.) geht hervor, dass Dürr "gen der Newenstadt in transsilvania" entsendet wurde.
Ob Dürr in Neustadt im Burzenland tätig wurde, ist nach meinem Kenntnisstand bislang nicht genau geklärt, dass er aber in seine Heimat zurückgekehrt ist, steht außer Zweifel, denn aus Hermannstädter Bürgermeisterrechnungen geht hervor, dass Dürr in dieser Stadt im Dienst der Kirche stand. Die erste Rechnung erwähnt ihn bereits 1561 ("domino Damaso ministro ... ecclesiae"); weitere Eintragungen finden sich in den Jahren 1566 und 1567. Vermutlich folgte Dürr bereits 1560 dem Ruf Mathias Heblers, des damaligen Superintendenten der evangelischen Kirche A.B. in Siebenbürgen, nach Hermannstadt. 1561 wird er als Stadtprediger aufgeführt, und ab dem Sommer des betreffenden Jahres als Prediger der Kranken ("leprosos"), wofür er 4 Gulden Lohn erhielt. Bis 1567 ist er als Prediger im Hermannstädter Spital bezeugt.
Es ist zeitlich nicht ganz genau festzumachen, wann Dürr Hermannstadt wieder verlassen hat, aber aus dem Jahre 1570 wissen wir über ihn, dass er als Pfarrer in Kleinpold, im Unterwald, tätig wurde. Dies geht aus seinen eigenen Aufzeichnungen hervor. Hier in Kleinpold, das damals noch sächsisch besiedelt war, diente er der Gemeinde als vorbildlicher Prediger und Seelsorger bis zu seinem Tod 1585. Er überlebte in schwierigen Zeiten drei Ehefrauen und mehrere seiner Kinder. 1584 wurde Dürr zum Dechanten des Unterwälder Kapitels gewählt, bevor er im folgenden Jahr an einem nicht mehr feststellbaren Tag verstarb und ohne großes Aufsehen bestattet wurde.
Der Ruhm, zu dem Damasus Dürr erst lange nach seinem Tod gelangen sollte, verdankt sich besonders seiner umfangreichen Predigtsammlung, die er selbst mit unendlichem Fleiß in Kleinpold in zwei Foliobänden zusammengestellt hat. Leider ist nur der erste Band erhalten geblieben; er umfasst 1120 engbeschriebene Seiten, die eigentlich drei unabhängige Teile bilden - sie sind zu verschiedenen Zeiten und auf unterscheidlichem Papier niedergeschrieben worden.
Der erste Teil (S. 1-707) umfasst eine dem kirchlichen Kalender folgende, chronologisch fortlaufende Reihe von Predigten über die Perikopen der Sonn- und Feiertage vom ersten Advent 1554 bis zum Gründonnerstag des Jahres 1578. Als Anhang sind diesem Teil noch drei Passionspredigten über Joh 13 beigefügt.
Der zweite Teil (S. 719-921) besitzt ein eigenes Titelblatt und enthält Passionspredigten und Betrachtungen zu Texten aller vier Evangelien aus dem Jahre 1573. Der dritte Teil (S. 923-1129) schließlich umfasst eine Sammlung von Predigten über mindere Festtage (Apostel- und Marientage) und schließt mit dem Jahre 1570. Die zeitlich späteste Predigt aus diesem Band stammt aus der ersten Hälfte des Kirchenjahres 1582.
Das alte Kapitelsbuch des Unterwälder Kapitels erwähnt, dass Dürr sein Predigtwerk erst 1585 abgeschlossen hat, wonach zu schließen ist, dass es einen zweiten Band mit Predigten gegeben haben muss. Die Vermutung wird durch einen Eintrag auf der Innenseite des Einbanddeckels des ersten Bandes erhärtet, wo von Hand des Chronisten und späteren Stadtpfarrers von Mühlbach, Mathias Vietoris, eingetragen ist, dass dieser zwei Bände von Damasus Dürr, Pfarrer in Kleinpold, mit Predigten über die Sonntagsevangelien von Johannes Czeck (Joane Czekio) für zwei Eimer Weizen gekauft habe.
Das Lebenswerk Dürrs ist aus verschiedenen Gründen von unschätzbar hohem Wert. Es stellt die älteste evang.-sächsische Predigtsammlung dar, die die Auseinandersetzung evang.-sächsischer Lebens- und Glaubenshaltung mit den religiösen und kirchlichen Fragen des Jahrhunderts der Reformation beleuchtet. Aus theologischer Sicht ist die Ausprägung der lutherischen Lehre bei Dürr sehr interessant. Des Weiteren lassen sich aus den Predigten interessante sprachwissenschaftlich Schlüsse ziehen, die den Sprachzustand jener Zeit - und besonders der Siebenbürger Sachsen - erhellen.
Nicht zuletzt ist die Sammlung ein unermäßlicher Schatz für volkskundliche Forschungen über Sitten und Brauchtum der Deutschen in Siebenbürgen, da es Dürr in ausgezeichneter Weise verstand, den Bezug zu seiner Gemeinde nicht zu verlieren, indem er die unmittelbare Lebenswelt, geschichtliche Begebenheiten, Sorgen und Ängste der Menschen immer wieder in seine Predigten aufnahm.
Albert Amlacher, der 1883 ein Lebensbild Dürrs entwarf, brachte diesen fast in Vergessenheit geratenen Pfarrer und Gelehrten zu einer bis heute unübertroffenen Würdigung und rühmte an den Predigten Dürrs den großen Gedankenreichtum, die wunderbare Menschenkenntnis, die tiefe Lebensweisheit und den wahrhaft evangelischen Geist.
Das Unterwälder Kapitel startete 1939 den Versuch, die Predigten nach und nach einem breiten Publikum vorzustellen. Leider konnten nur insgesamt neun Druckbogen herausgegeben werden, bevor der Zweite Weltkrieg weitere Veröffentlichungen verhinderte. Es ist zu bedauern, dass bis heute noch keine Gesamtausgabe dieser einmaligen Predigtsammlung erschienen ist, was unbedingt nachzuholen wäre.


Quellen & Literatur

· Albert Amlacher,  Damasus Dürr,  Ein evangelischer Pfarrer und Dechant des Unterwälder Kapitels
  aus dem Jahrhundert der Reformation, Hermannstadt 1883.

· Damasus Dürr,  Predigten 1554-1578,  Herausgegeben vom  Unterwalder Kapitel unter der Leitung
  von Ludwig Klaster, Mühlbach 1939.

· Gustav Gündisch,  Damasus Dürr,  in: Taten und Gestalten.  Bilder aus der Vergangenheit  der  Ru-
  mäniendeutschen, I. Band, Hrsg. Dieter Drotleff, Cluj-Napoca (Klausenburg) 1983, S. 102-104.

· Wilhelm Schiller,  Damasus Dürr,  ein ev. Pfarrer des 16. Jahrhunderts, in:  Bilder aus der  vaterlän-
  dischen Geschichte, Hrsg. Friedrich Teutsch, Hermannstadt 1899, S. 164-178.